Landesarbeitsgemeinschaft Entwicklungshilfe Mali e.V.

Mande Charta

Die älteste Erklärung grundlegender Menschenrechte

Die Mande-Charta (Charte du Manden / Manden Kalikan) ist eine mündliche Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert. Der legendäre Gründer des Mali-Reiches, Sundiata Keita, ließ sie zusammen mit seinen Gefolgsleuten im Jahr 1222 feierlich ausrufen, um Regeln für die soziale Organisation und das friedliche Zusammenleben in seinem Reich durchzusetzen. Die Charta besteht aus sieben Artikeln und handelt von der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, der Gleichheit aller Lebewesen und den Schrecken von Krieg und Sklaverei, die von nun an ein Ende haben sollen. Sie stellt somit die älteste Erklärung grundliegender Menschenrechte weltweit (!) dar und wurde deshalb von der UNESCO im Jahr 2009 zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt.

Die Mande Charta auf deutsch und Bambara lesen

Mande Charta auf deutsch

Übersetzung: David Malluche, Lamine Doumbia

1. Die Jäger sagen:
Alle Geschöpfe sind eins.
Es stimmt, dass ein Geschöpf vor einem anderen das Licht der Welt erblickt,
aber ein Geschöpf ist nicht älter und ehrwürdiger als ein anderes,
und auch kein Geschöpf ist besser als ein anderes.

2. Die Jäger sagen:
Alles Leben ist eins,
kein Unrecht, das einem anderen Geschöpf zugefügt wird, bleibt ungestraft.
Also
soll keiner seinen Nächsten ausbeuten,
soll keiner seinem Nächsten Unrecht tun,
soll keiner seinen Nächsten quälen.

3. Die Jäger sagen:
alle sollen aufeinander achten,
alle sollen ihre Eltern ehren,
alle sollen ihre Kinder gut erziehen,
alle sollen die Bedürfnisse ihrer Familienangehörigen stillen.

4. Die Jäger sagen:
alle sollen auf ihre Heimat achten.
Für das Vaterland ist der Mensch das Wichtigste,
denn wenn die Menschen vom Land verschwinden
wird es sich nach ihnen sehnen,
Niedergang und Verzweiflung erfahren.

5. Die Jäger sagen:
Hunger ist schlecht,
Sklaverei ist schlecht;
Es gibt nichts Schlimmeres in der Welt als Hunger und Sklaverei.
Solange wir Pfeil und Bogen haben,
wird der Hunger niemanden mehr in Mande umbringen,
auch wenn Dürre das Land heimsucht.
Der Krieg wird keine Dörfer mehr zerstören,
keine Unterwerfung mehr.
Das heißt dass Niemand mehr einem Mitmenschen die Kandare anlegen wird,
um ihn zu verkaufen;
Niemand wird mehr geschlagen in Mande,
geschweige denn getötet,
weil er ein Sklave ist.

6. Die Jäger sagen:
Die Sklaverei ist nun verboten und geächtet,
"von einer Mauer zur anderen",
von einer Grenze Mandes bis zur anderen;
Überfälle sind von nun an in Mande verbannt,
die Leiden, die daraus entstehen, haben ab heute ein Ende.
Hunger ist schlecht!
Ein Hungriger verliert jede Scham.
Welch entsetzliches Leid für den Sklaven und den Hungernden,
ohne jeden Ausweg.
Ein Sklave ist überall auf der Welt seiner Würde beraubt.

7. Die Ahnen sagen:
Ein Mensch an sich,
bestehend aus Knochen und Fleisch,
Gehirn und Muskeln,
Haut und Haaren
ernährt sich von Speisen und Getränken;
aber seine Seele lebt von drei Dingen:
zu sehen, wen man sehen will,
zu sagen, was man sagen will,
zu tun, was man tun will.
Wenn der Seele eines dieser Dinge fehlt,
wird sie leiden und verkümmern.
Also sagen die Jäger:
Jeder ist für sich selbst verantwortlich,
jeder ist frei zu Handeln,
im Rahmen der Gesetze des Landes.

Das ist die Verfassung Mandes,
adressiert an die ganze Welt.

Mande auf Bambara

Quelle: Youssouf Tata Cissé

1. Donsolu ko:
Ko nin bèè nin;
Ko tonya kòni do ko nin bè bò fònyò nan in nya,
Ko nga nin man kòrò ni nin di,
Ko nin man fisa ni nin di.

2. Donsolu ko:
Nin bèè nin,
Nin tòòrò sara bali tè.
O la sa,
Ko mòkò shi ka na bila i sigi-nyòkòn na
Ko mòkò ka na i mòkò nyòkòn nin ma tòòrò
Ko mòkò ka na i mòkò nyòkòn ladyaaba.

3. Donsolu ko:
Ko bèè k'i dyanto i mòkò nyòkònnu na
Ko bèè k'i bangebagalu bato
Ko bèè k'i dennu lamò a nya ma
Ko bèè k'i la lumòkòlu ladon.

4. Donsolu ko:
Ko bèè k'i dyanto i faso la;
Ko n'i nòò a mè ko faso, n'o ye dyamani di
Ko mòkòlu ko don
Ko ni mòkò banna dyamani woo dyamani kò kan,
Ko o dyamani wo dugu-kolo yèrè bè nyannafin.

5. Donsolu ko:
Ko gòngò ma nyi
Ko dyònnya ma nyi;
Ko gòngò ni dyonnya nyòkòn ko dyugu tè,
Dunya-so yan.
Ko ka ton ni kala to annu bolo,
Ko gòngò tè mòkò faka tukun, Manden,
Ni dyaa kèra na-fèn di;
Ko kèlè tè dugu ti tukun, Manden
Ka waa a feere;
Ko mòkò tè bugò tukun, Manden
Sanko k'a faka,
K'i ye dyòn-den di.

6. Donsolu ko:
Ko dyònnya shi lasala bi,
Manden dènèn n'a dènèn;
Ko binkanni dabilala bi, Manden,
Ko nyani dyugu banna bi, Manden.
Kòngò ma nyi,
Malo tè gòngòtò la;
Nyani ma nyi,
Dyò-yórò tè nyanibagatò la;
Danbe tè dyòn na
Dunya yòrò shi.

7. Fòlò mòkòlu ko:
Ko mòkò-nin-fin yèrè-kun,
A kolo n'a buu
A semen n'a fasa,
A galo n'a fari kan shi,
Ko olu bè balo suman ni dyi le la;
Ko nga k'a nin bè balo fèn saba la:
Sako na mòkò ye,
Sako na kuma fò
Ani sako na ko kè;
Ko ni nin fèn saba dò ye nin madyè,
Ko nin bi tòòrò,
Ko nin bi tyòòlò.
O la sa, donsolu ko:
Ko bèè wasa b'i yèrè rò,
N'a ma kè i faso tana tinya di;
Ko bèè ta ye I sòròfen di.

Manden kali-kan file nin di,
Ka a da dunya bèè ladèlen tolo kann.

 

Man muss den Wortlaut des Textes im Kontext der damaligen Mande-Gesellschaften und deren sozialen Gegebenheiten betrachten. Wissen und Traditionen wurden in Afrika stets mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Dies geschah hauptsächlich durch die Initiation in diverse Geheimbünde, die den jüngeren Mitgliedern ihr spezielles Wissen dann nach und nach preisgaben.

Eine besondere Rolle spielten dabei die Jäger-Bünde. Sie konnten mit Waffen umgehen, und waren deshalb neben dem Beschaffen von Nahrung auch zum Kampf und zur Verteidigung ihrer Dörfer in der Lage. Außerdem waren sie vertraut mit der Wildnis, deren geheimnisvollen Kräften und der Wirkung diverser Pflanzen, weshalb sie auch die Rolle der Heiler übernahmen. Diese Jägerbünde existieren auch heute noch. Die Jagd spielt dabei allerdings wegen der dezimierten Wildbestände keine große Rolle mehr. Sie erfüllen aber noch immer ihre Funktion als Bewahrer alter Traditionen, und auch als Heiler sind sie noch tätig.

Der Kult der Jägerbünde steht in Zusammenhang mit dem Mythos von Sanènè und Kòntròn, der in verschiedenen Versionen existiert. Diese sind die Schutzgeister der Jäger, weshalb sie sich auch als Kinder von Sanènè und Kòntròn bezeichnen. Der Inhalt der Mande-Charta speist sich aus dem Gedankengut dieser Jägerbünde, weshalb die einzelnen Paragraphen mit "Die Jäger sagen" beginnen.

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